eine frage, katrin müller-hohenstein

Nämlich diese: Warum haben Sie eigentlich, als es um Miroslav Kloses erstes WM-Tor ging, vom „inneren Reichsparteitag“ gesprochen?

Was ist, wenn vor 28 Millionen Deutschen, vor einer dreistelligen Millionenzahl weltweit und vor den Zuschauern in einem ausverkauften großen Fußballstadion eine solche Masseninszenierung stattfindet, noch „innen“?

Von der Formulierung „innerer Reichsparteitag“, die Sie benutzt haben, lernen deutsche Zeitungsleser ja gerade, dass, erstens, einige Mitmenschen sie noch nie gehört haben, während, zweitens, andere mitteilen, dass sie sie stets und ständig benutzen, ohne dass ihnen je ein NS-Bezug aufgefallen wäre. Eine dritte Gruppe wiederum versichert, dass der Ausdruck etwas mit ironischer Distanz und Brechung von NS-Propaganda zu tun hätte, während die Vierten herausgefunden haben, dass nur Nazis so sprechen.

Könnte es aber nicht sein, dass Sie, Frau Müller-Hohenstein, diese Floskel benutzt haben, weil das, was da fürs Fernsehen inszeniert wird, doch die ein oder andere Ähnlichkeit mit Massenaufläufen der angedeuteten Art hat? Und dass Sie das un- oder vorbewusst wahrgenommen und entsprechend formuliert haben? Um ehrlich zu sein: Wenn ich Freuds Psychopathologie des Alltagslebens richtig verstanden habe, kann es gar keine andere Erklärung geben.

4 Responses to “eine frage, katrin müller-hohenstein”

  1. Enno sagt:

    Die These ist gar nicht so verkehrt. Andererseits muss man sich bei Frau Müller-Hohenstein auch grundsätzlich fragen, was sie dazu qualifiziert solch eine Sendung zu moderieren. Sie sprach nicht nur von „Jürgen Löw“ (meinte den aktuellen Bundestrainer), sondern stellte wirre Fragen, vergaß Verben in Sätzen und blieb vielfach konfus. Selbst Oli Kahn war sichtlich irritiert. Mir schien, dass sie überhaupt nicht auf der Höhe des Geschehens war, sondern eher in einer trance-artigen Schwebe, die man vielleicht auch für eine gute Psychoanalyse brauchen könnte. Aber sicher nicht bei der Moderation einer Sportsendung…

  2. klammerbeutel sagt:

    Einfache Antwort auf die Frage im zweiten Absatz: Innen könnte die Freude von Klose sein, es den Zweiflern gezeigt zu haben, eine Freude, die man nicht unbedingt nach außen zeigen darf, ein innerliches Zungeherausstrecken.

    Denn selbst in der größten Öffentlichkeit hat glücklicherweise jeder Mensch noch sein privates Inneres – auch wenn es der Boulevard nicht wahr haben will (Sie eventuell auch nicht?) .

    Es gibt übrigens noch andere Gruppen, z. B. eine, die den Begriff kennt und verwendet (allerdings nicht stets und ständig) und die durchaus die Möglichkeit der Herstellung eines Bezugs zum Nationalsozialismus erkennt. Allerdings erliegt diese Gruppe nicht krampfhaft dem Zwang, diesen möglichen Bezug auch unbedingt herstellen zu müssen.

    Leider habe ich das genannte Buch nicht gelesen, aber wenn es so eindeutige Auskunft über Frau KMH gibt, stehen da eventuell auch die Lottozahlen vom nächsten Samstag drin?

  3. admin sagt:

    <p>Nun, lieber „Klammerbeutel“, hat ja nicht Miroslav Klose seine private Gefühlswelt mit dieser Metapher umschrieben, sondern eine Fernsehmoderatorin glaubte, nachdem sie ihn im Stadion und auf dem Bildschirm gesehen hatte, ihm diese Gefühlswelt bescheinigen zu müssen. Und bei der Beantwortung der Frage, warum sie das gesagt hat, mag Freud helfen. Wenn man mag.</p>
    <p>Lieber Enno, den „Jürgen Löw“ hatte ich nicht gehört. Wenn sie das gesagt hat, könnte man es vermutlich in zwei Richtungen deuten: Entweder, wie du vermutest, absolute Ahnungslosigkeit. Oder aber, und das scheint mir ob der Prominenz von Jogi Löw naheliegender zu sein, als eine klassische Fehlleistung, dass sie trotz besserem Wissen sich versprach: Ob das an Nervosität , an einer Ablenkung, an einer irgendwie gearteten Verknüpfung von Klinsmann und Löw oder an irgendwas anderem liegt – herrjeh: Fehlleistungen sind einerseits nie zufällig, andererseits meist sehr verschlungen.</p>

  4. admin sagt:

    Vielleicht noch diesen Lektüretipp: Christoph Gutknecht analysiert, warum viele Alltagsbegriffe NS-Vokabular entspringen: http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/7876: „‚Das Material wurde sichergestellt‘, ‚Ich habe mir ein Bier organisiert‘, ‚In der Mercedes-Box brach fanatischer Jubel aus‘ – solche Äußerungen hält man heute ebenso für normal wie die Begriffe ‚Staatsakt‘ und ‚Dachorganisation‘, weil sie zu gängiger Sprachmünze geworden sind.“